Europameister im 10km-Straßenlauf sowie im Halbmarathon, dazu eine Goldmedaille und eine Silbermedaille in den jeweiligen Mannschaftswertungen – für den Füssener Thomas Kotissek, der sich für den TV Kempten die Laufschuhe schnürt, war die Reise in der vergangenen Woche zu den Masters-Europameisterschaften der Leichtathleten ins italienische Pescara eine wahrlich goldene. Damit gelang ihm das Kunststück, binnen einer Saison die kontinentalen Titelkämpfe in zwei grundlegend verschiedenen Laufdisziplinen für sich zu entscheiden, nachdem er sich bereits im Juli in Adelboden zum Europameister im Berglauf küren konnte. „Dem Titel am Berg zwei weitere auf der Straße folgen zu lassen, das ist schon etwas ganz Besonderes. Da ist man natürlich auch ein bisschen stolz“, beurteilte der 46-jährige Ausdauerathlet seinen Erfolg.
Kotissek reiste natürlich nicht gänzlich ohne Ambitionen nach Italien. Schließlich ließen die vergangenen Erfolge sowie die Meldezeiten der Konkurrenz in seiner Altersklasse durchaus erwarten, dass er im Kampf um die Podestplätze ein Wörtchen mitreden würde. Und das sollte sich bereits bei seinem ersten Start in Pescara bewahrheiten, als sich die Läufer am Donnerstagnachmittag bei spätsommerlichen Temperaturen von über 25 Grad an der Startlinie des 10km-Straßenlaufs aufstellten. Kotissek setzte sich gleich nach dem Startschuss in der Spitzengruppe fest. Das hohe Anfangstempo auf den ersten zwei Kilometern sorgte sofort dafür, dass das Teilnehmerfeld auseinandergezogen wurde. So mussten auch alle direkten Kontrahenten Kotisseks abreißen lassen, mit Ausnahme des starken Schweden Uhrbom, der an der Spitze des Feldes das Tempo sehr hochhielt. „Eigentlich war es ab da nur noch ein Zweikampf um Gold. Ich hab mir vorgenommen, an dem Schweden so lange wie möglich dranzubleiben“, brachte Kotissek seine taktische Vorgabe auf dem Punkt. Als sich etwa bei Kilometer fünf zwei jüngere Italiener aus der Spitzengruppe lösten, konnte der bis dato führende Schwede das Führungstempo nicht mitgehen. „Das war der Moment, an dem ich anfing zu glauben, dass heute die Goldmedaille drin ist!“ meinte der 46-jährige hinterher. An seiner Vorgabe änderte sich zunächst jedoch nichts, er folgte dem Schweden, der nun immer wieder mit Tempowechseln versuchte, seinen Verfolger abzuschütteln, auf Schritt und Tritt. 600 Meter vor dem Ziel sah Kotissek seine Chance gekommen und ging zum Angriff über. „Zunächst blieb er noch dran, aber 500 Meter vor dem Ziel merkte ich, wie ich mit jedem Schritt ein bisschen mehr wegkam!“ Mit einem fulminanten Schlussspurt konnte sich der Füssener etwa 20 Meter absetzen und holte als Gesamtdritter in einer Zeit von 32:09 min den Europameister-Titel in der Altersklasse M45. „Super Zeit, super Rennen, super Finish!“ brachte es der überglückliche Allgäuer auf den Punkt.
Doch dabei sollte Kotissek es nicht belassen. Denn als er am Sonntagmorgen beim Halbmarathon um 10 nach 10 durchs Marathontor ins Stadio Adriatico in Pescara einlief und die Zielgerade auf der blauen Laufbahn jubelnd zurücklegte, war das Double perfekt: Zweites Rennen, zweiter Europameistertitel, zweite Goldmedaille! Aber der Reihe nach…
Die frühe Startzeit am Sonntagmorgen um 9 Uhr mit den einhergehenden kühleren Temperaturen sorgte für sehr gute Voraussetzungen, um beim abschließenden Halbmarathon eine schnelle Zeit zu erzielen. Dass Thomas Kotissek auch hier zu den Titelkandidaten zählen würde, das war schon vor dem Startschuss klar. Dass es auch tatsächlich für die Goldmedaille reichen sollte, war aber ungewiss. „Drei Tage nach dem hart umkämpften 10km-Lauf einen Halbmarathon am Limit zu laufen, kann auch schief gehen. Da weiß man nie, wie schwer die Beine noch sind“, wusste Kotissek bereits vor dem Rennen. Hinzu kam, dass keiner seiner ärgsten Konkurrenten die Anstrengungen des 10km-Laufs in den Beinen hatte. Und als der stärkste dieser Konkurrenten sollte sich sein Nationalmannschaftskollege Sebastian Hönig erweisen. „Einen schnellen Teamkollegen zu haben, ist aber auch ein Vorteil“, ist sich der Füssener bewusst, denn so konnten die beiden ihre taktische Herangehensweise in der ersten Rennhälfte untereinander absprechen. Sie teilten sich die Führungsarbeit, behielten gemeinsam die internationalen Kontrahenten im Blick und forcierten im richtigen Moment das Tempo. So gelang es ihnen bei Kilometer 8, sich aus ihrer Gruppe zu lösen und die Führung in ihrer Altersklasse auszubauen. Bei Kilometer 13 war es dann jedoch mit der Freundschaft zu Ende. „Schließlich geht es um die Goldmedaille! Und da gilt es auch, den Teamkollegen im Zaum zu halten“, beschrieb der dreifache Familienvater seine Gedanken zu diesem Zeitpunkt des Rennens. Drei schnelle Kilometer, bei denen er die Pace auf unter 3:10/km drückte, sorgten schließlich dafür, dass sich der 46-jährige Sportlehrer von Hönig absetzen konnte. Nach und nach baute Kotissek seine Führung aus, und als das Stadion in Sichtweite war, betrug der Vorsprung bereits knapp 30 Sekunden. Was folgte, war der oben beschriebene Zieleinlauf, bei dem die Uhr bei 1h10:32 stehen blieb. „Ein Zieleinlauf in einem großen Stadion ist immer etwas Besonderes. Und wenn man dabei einen großen Titel gewinnt, ist das einfach unbeschreiblich!“ Und als Zugabe gab es auch dank der starken Vorstellung von Sebastian Hönig die Goldmedaille in der Mannschaftswertung obendrauf. „Drei Goldmedaillen und eine Silbermedaille bei einer Europameisterschaft! Das toppt wirklich alle Erwartungen!“ äußerte sich der gebürtige Franke hochzufrieden.